Härte durch Weichheit überwinden: Was Yang Luchan als Tai-Chi-Meister einzigartig machte
Erstellt mit canva.com und einem gemeinfreien Foto von Yang Luchan aus Wikipedia
Tai Chi Chuan hat seinen Ursprung in den Kampfkünsten. Sein historischer Ursprung liegt weitgehend im Dunkeln und ist von zahllosen Legenden umrankt. In diesem Beitrag beschränke ich mich auf die historisch nachweisbare Tai-Chi-Entwicklung und damit auf Kampfkünstler, die tatsächlich gelebt haben. Die berühmten Kampfkunstmeister Chen Wangting und Chen Changxing waren Vorläufer von Tai Chi Chuan im 17. und 18. Jahrhundert. Der erste Tai-Chi-Meister war Yang Luchan in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Was zeichnete seinen Kampfstil aus, sodass er einen neuen Kampftstil begründete? Dieser Frage möchte ich einmal nachgehen.
1. Vorläufer von Tai Chi Chuan
1.1 Chen Wangting (1580-1660)
Die ersten Hinweise auf eine dem Tai Chi ähnliche Kampfkunst stammen von dem Garnisonsoffizier Chen Wangting, der die Kampftechniken seiner Familie weiterentwickelte. Er adaptierte die Prinzipien des vor ihm lebenden Generals Qi Jiguang aus dessen Handbuch Die 32 Formen des Kanonen-Boxens und verband sie mit der daoistischen Philosophie, mit Übungen zur inneren Kraft (Daoyin) und tiefen Atemübungen (Tuna). Außerdem schuf er das Partnertraining der schiebenden Hände, das den Tastsinn schärfen und Härte durch Weichheit überwinden sollte.
Die Kampfkunst von Chen Wangting gilt als Vorläufer von Tai Chi Chuan, das seinen Namen und seine Popularität jedoch erst im 19. Jahrhundert erhielt. Seine Ideen fanden Eingang in den Nahkampf und das Waffentraining. Sie wurden als Familiengeheimnis weitergegeben. Die Geheimhaltung der eigenen Technik war entscheidend, wenn es zu Herausforderungen durch andere Kampfkünstler kam. Bei diesen Auseinandersetzungen ging es um Leben und Tod.
1.2 Chen Changxing (1771-1853)
Anfang des 19. Jahrhunderts gab es mit Chen Changxing einen weiteren Kampfkunstmeister aus der bereits erwähnten Chen-Familie. Er nahm weitreichende Veränderungen an der überlieferten Kampftechnik vor und machte sie weicher und geschmeidiger. Damit kam sie dem heutigen Tai Chi schon sehr nahe.
Er fasste die überlieferten Übungen in zwei Hauptformen zusammen: in eine erste, eher langsame Form, die dem Aufbau einer guten Körperstruktur diente, und eine zweite, schnelle Form, die den Nahkampf trainierte und „Kanonenfaust“ genannt wurde. Chen Changxing gilt als Schlüsselfigur in der Geschichte des Tai Chi Chuan und war der erste, der einen Fremden als Schüler aufnahm. Und dieser Schüler wurde der erste Tai-Chi-Meister!
2. Yang Luchan (1799–1872): Der erste Tai-Chi-Meister
Es war der talentierte Bauernsohn namens Yang Fukui (später: Luchan), der 18 Jahre lang bei Chen Changxing und weiteren Kampfkunstmeistern lernte. Yang entwickelte den sanften Ansatz seines Lehrers weiter und gewann 18 Herausforderungen, indem er die gegnerischen Angriffe neutralisierte. Yang Luchan erwarb sich den Ruf eines Kämpfers, der mit zwei Handtechniken siegte, ohne seinen Gegner zu verletzen. Einige Beobachter bezeichneten seine Art des „touch and fly“ als freudige Ereignisse, die den Ernst der Auseinandersetzung in Leichtigkeit verwandelte.
Damit begründete Yang Luchan das wichtigste Prinzip im Tai Chi Chuan: „Überwinde Härte durch Weichheit“. Dies machte seine Art zu kämpfen einzigartig. Humor prägt auch heute noch das Training der schiebenden Hände (Pushhands) aus. In keinem Tai-Chi-Kurs wird so viel gelacht wie in einem Pushhands-Kurs. Es gibt keinen Wettkampf, keine Abzeichen und keinen schwarzen Gürtel. Alles, was zählt, ist die Erfahrung von Freude und Leichtigkeit beim Üben der Tai-Chi-Techniken.
Yang Luchan ist somit der erste, offiziell anerkannte Tai-Chi-Meister Chinas. Mit seinen kämpferischen Fähigkeiten beeindruckte er 1850 den Kaiserhof in Bejiing. Zusammen mit seinen beiden Söhnen Yang Banhou (1837-1890) und Yang Jianhou (1839-1917) bildete er fortan die Leibgarde des chinesischen Kaisers aus. Hier entstand auch der Name der neuen Kampfkunst „Tai Chi Chuan“. Denn in der Geschmeidigkeit der Bewegungen sah ein Gelehrter die Prinzipien des philosophischen Daoismus verwirklicht. „Tai Chi Chuan“ bedeutet übersetzt: Kampfkunst nach dem höchsten Prinzip.
3. Ausblick: Yang Luchan und der Wu-Stil
Zu den Schülern von Yang Luchan und seinen Söhnen gehörte der mandschurische Kommandant der kaiserlichen Leibgarde Quanyou (1834-1902). Er war ihr geschicktester Schüler und zeichnete sich besonders durch das Neutralisieren von Angriffen aus. Sein Sohn Jianquan (1870-1942) nahm den chinesischen Familiennamen Wu an und entwickelte die langsame Form des Wu-Stils, wie sie heute im Verein EWTC e.V. gepflegt wird. Die Familien Yang und Wu blieben freundschaftlich miteinander verbunden. Wu Jianquan und Yang Chengfu, Enkel von Yang Luchan, haben in den 1920er Jahren in enger Zusammenarbeit die Kunst des Tai Chi Chuan erneuert und populär gemacht. Wu’s Tochter wurde sogar die erste Frau, die die Kunst des Tai Chi ausübte.
4. Pushhands in NRW
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